Ich weiß, ich muss aufhören – aber wie ?
Als ich 2012 nach meinem ersten Burnout nach 5 Monaten Auszeit wieder zurück in den Job kam, hatte ich schon ein paar Dinge verändert. Morgens ging ich eine Stunde später zur Arbeit und nutzte die Zeit unter anderem zum Meditieren. Ich habe viel schneller delegiert als früher, nicht mehr versucht, über jedes Detail Bescheid wissen zu wollen. Auch hatte ich die Maske des perfekt funktionierenden Menschen abgelegt, der keine Fehler macht. Denn durch den Burnout hatte ja jeder in meinem Umfeld gesehen, dass ich nicht so „perfekt funktionierte“. Das nahm mir auch ganz schön Druck und machte mich nahbarer für mein Umfeld.
Aber obwohl ich diese erste Krise gemeistert hatte, habe mich in den Jahren danach nie so richtig wohl und zufrieden in meiner Haut gefühlt. Ich schob das darauf, dass ich durch den Crash ein besseres Gefühl für mich entwickelt hatte und dass ich vor der Auszeit vor lauter Rennerei gar nicht gemerkt hatte, dass es mir schon damals nicht gut ging. Dennoch fühlte es sich nicht gut genug an, um einfach so weiterzumachen.
Ich suchte in diesen Jahren regelmäßig meine Ärztin auf – eine Hypnotherapeutin. Mit einer ihrer Methoden befragten wir gemeinsam mein Unterbewusstsein nach dort bekannten Wahrheiten. Wenn man so will, indem man eine Abkürzung vorbei am Bewusstsein nimmt. Ich hatte großes Vertrauen zu dieser Methode und in die Richtigkeit der Erkenntnisse, die wir daraus gewannen. Und das hieß schon was, denn der reine Kopfmensch, der ich damals war, war nicht leicht von solchen Ideen zu überzeugen. (Probiert mal den O-Ring Test, am besten mit einem Partner – ist faszinierend.)
Im Februar 2017 dann ergab eine Sitzung, dass mein Unterbewusstsein felsenfest davon überzeugt war, dass ich meinen Job so nicht weitermachen konnte. Das war schon ein Schock. Denn bis dahin hatte ich mir eingeredet, dass ich das mit dem Job durch Drehen an den richtigen Stellschrauben noch irgendwie hinkriegen würde. Auf der anderen Seite hatte ich aber sofort das Gefühl, dass die Aussage meines Unterbewusstseins stimmte. Mit einem ambivalenten Gefühl verließ ich die Praxis, denn ich hatte überhaupt keine Idee, wie ich das jetzt in die Tat umsetzen sollte.
So einfach ist das nicht
Es war nicht einmal die finanzielle Seite, die mir beim Aufgeben meines Jobs Sorgen gemacht hätte – das würde schon irgendwie funktionieren. Ich empfand eine ganze Reihe von Verpflichtungen, die es einfach nicht zuließen, meine Firma zu verlassen. Zuallererst fühlte ich mich meiner Firma und meinen Mitarbeitern gegenüber verpflichtet. Wir waren gerade übernommen worden und die Stimmung in der neuen Firma war nicht gut. Viele aus der oberen Führungsetage gingen oder wurden gegangen. „Ich kann doch meine Mitarbeiter nicht im Stich lassen.“ „Was wird denn aus dem von mir aufgebauten Bereich, wenn ich nicht mehr da bin?“ „Wie soll ich den Schritt meinem Chef erklären?“ Diese und ähnliche Gedanken beschäftigten mich. Auch war mir nicht klar, wie ich meinem privaten Umfeld – Freunden und Familie – erklären sollte, dass ich auf einmal nicht mehr arbeiten würde. Und dazu kam natürlich die Sorge, was denn dann kommen würde, wenn ich die Sicherheit meines bisherigen beruflichen Lebensentwurfs aufgeben würde.
Ich hatte – fast als letzten Versuch – noch einmal ein Resilienz-Coaching angefangen, in dem wir aber nach einigen Sitzungen auch zu dem Schluss kamen, dass ich den Job nicht mehr weitermachen kann.
Nun war es mittlerweile Februar 2018. Der Druck in der veränderten Firma nahm immer mehr zu und es ging mir echt nicht gut. Ich kannte das Gefühl schon sehr gut. Übelkeit und depressive Verstimmung. Immer mal wieder waren da Tage dazwischen, die weh taten. Es war fast, als ob mich mein Unterbewusstsein auf die „rosige“ Zukunft hinweisen wollte, sollte ich nichts ändern. Diese Tage fühlten sich fast so schlecht an wie die bei meinem ersten Crash vor sieben Jahren. Trotzdem antworte ich auf die Frage meiner Frau, wie es denn nun weitergehen solle mit: „Dann muss ich eben wieder krank werden.“ Heute scheint es mir absurd, dass ich das damals wirklich so gesehen habe, denn während meines ersten Burnouts habe ich die für mich schlimmste Zeit meines Lebens durchlebt. Aber ich wusste zu dem Zeitpunkt einfach nicht, wie ich aus der Mühle herauskommen sollte. Die vielen – mir selbst auferlegten – Verpflichtungen waren einfach zu mächtig.
Es geht, trotz der vielen Verpflichtungen!
Im Februar war ich also noch fest davon überzeugt, dass ich da nicht rauskomme. Schon im Juni jedoch teilte ich meinem Chef mit, dass ich aufhören würde. Was war in den paar Monaten zwischen Februar und Juni passiert?
Ich hatte, wie gesagt, schon damals bei der Hypnotherapeutin gespürt, dass die Entscheidung aufzuhören richtig wäre. Ich hatte nur keine Ahnung, wie das gehen sollte. Dennoch war die Überzeugung mittlerweile ziemlich präsent. Und so passierten dann nacheinander in recht kurzer Abfolge eine Reihe von Dingen, die mir den Weg ebneten: Der Druck in der Firma wurde immer größer, mein Chef forderte von mir Entscheidungen, die mir deutlich machten, dass ich eine Grenze für mich überschreiten müsste. Zudem wurde mir klar gemacht, dass es gar nicht in meinen Möglichkeiten lag, meine Mitarbeiter in der neuen Situation zu beschützen. Mir wurde zunehmend klar, dass ich keine Kontrolle über diese Dinge hatte.
Dazu hatte ich im Coaching an einer Zukunftsvision gebastelt, wie denn ein perfekter Tag in meiner Zukunft aussehen könnte – und diese Vision war sehr attraktiv! Und so zerbröckelten langsam alle Bedenken und Verpflichtungen, bis nur noch das Gefühl übrig blieb, das Richtige tun zu können. Es fiel mir brutal schwer, aber ich sprach meinen Chef nach einer Aufsichtsratssitzung Mitte Juni an. Ende Juli war ich zuhause. Was für eine Erleichterung!
Im Rückblick hat mir diese Entwicklung in den wenigen Monaten gezeigt, dass man die einzelnen Schritte auf dem Weg im Vorhinein gar nicht genau verstehen oder vorhersehen muss. Was sich heute noch als riesige Barriere im Kopf darstellt, kann sich morgen komplett aufgelöst haben. Ist man überzeugt, dass die Richtung stimmt, dann kommt der Rest fast wie von selbst zusammen. Ich bin heute überzeugt, dass die Dinge genauso passiert sind, wie sie passieren sollten. Aber darauf zu vertrauen, ist die Kunst.
Heute gehe ich an Projekte mit einer anderen Einstellung heran. Das wichtigste ist, dass ich vom Ziel überzeugt bin. Es fällt mir zwar immer noch nicht ganz leicht, mich dann ohne konkrete Meilensteinplanung dem Prozess zu überlassen. Aber es wird mir in der Zukunft von Mal zu Mal leichter fallen – davon bin ich überzeugt. Dieser Weg ist auf jeden Fall viel entspannter…
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